Ein Abschied, der schwerfällt - Danke für alles, Rebes!
Dezember 2021
Bericht: Edgar Deibert, Heidenheimer Zeitung
Abschied einer Legende Sontheims Co-Trainer Martin Rebhan: „Früher habe ich Eisenstangen umgegrätscht“
Beim Fußball-Landesligisten FV Sontheim wurde Martin Rebhan in nur knapp eineinhalb Jahren zur Vereinslegende. Vor seinem Abschied nach Darmstadt erzählt der 48-Jährige von vielen Tränen, seiner Zeit mit WG-Partner Frank Schmidt, einem besonderen Tänzchen mit Holger Sanwald und davon, was ihn beim Amateurfußball zur Verzweiflung bringt:
Würde man einen Film drehen, könnte man es nicht besser in Szene setzen. In seiner letzten Aktion läuft Martin Rebhan über den Rasen des FV Sontheim und geht noch einigen Gedanken nach. Drumherum ist kein Mensch. Dabei ist Rebhan kein Schauspieler, er ist authentisch. Den ultimativen Test dafür hat er beim FV Sontheim bestanden.
„Er ist ein absolutes Vorbild“, sagt Sebastian Knäulein über Rebhan. Zusammen trainierten die beiden in den vergangenen knapp eineinhalb Jahren das Landesligateam des FV Sontheim. „Für uns ist es echt schade. Er ist einfach ein geiler Typ. Die Jungs haben ihn ins Herz geschlossen.“ Als positiv verrückt bezeichnet Hannes Blank, der die Fußballabteilung des FVS zusammen mit Peter Korn leitet, den scheidenden Co-Trainer. „Er hat die Mannschaft mitgerissen mit seiner Leidenschaft und Emotionalität und ist mit seinem Willen vorangegangen“, betont Blank.
Verabschiedet wurde Rebhan am Sonntag, 19. Dezember. Wobei, genauer gesagt wird es Montag gewesen sein. Mit „seinem“ FV Sontheim feierte er nämlich in seinen Geburtstag rein. Und vergoss dabei viele Tränen, wie er unumwunden zugibt. Mit seiner Lebensgefährtin Heike Schiele zieht Rebhan nach Darmstadt, da er als Purser (Vorgesetzter aller Flugbegleiter) für die Lufthansa immer von Frankfurt am Main aus in die Welt fliegt.
Bei aller Faszination für den FV Sontheim. Ist der letzte Gang über den Rasen nicht etwas übertrieben? Rebhan nimmt diese Frage gelassen hin. „Nein, für mich war die Zeit in Sontheim wirklich eine Bereicherung. Ich war damals in einer Lebenskrise“, blickt der 48-Jährige auf seine Trennung von seiner damaligen Frau zurück. „Ich musste mich erst einmal neu sortieren. Und Fußball war schon immer meins.“
WG-Partner von FCH-Trainer Frank Schmidt
Was allerdings eine leichte Untertreibung ist. Einst träumte Rebhan davon, Fußballprofi zu werden. Von Coburg aus pendelte der Oberfranke mit 17 und 18 Jahren ins Internat des 1. FC Nürnberg, wo er sich das Zimmer mit einem gewissen Frank Schmidt teilte. „Frank hat da ganz gewohnt, ich habe an Wochenenden oder in den Ferien dort geschlafen. Es waren auch andere Spieler dabei, wir waren eine tolle Truppe“, erinnert sich Rebhan.
Während der heutige FCH-Trainer bei den Amateuren des 1. FC Nürnberg blieb, wechselte Rebhan zum VfL Frohnlach in die Bayernliga, die damals dritthöchste Klasse. Über Bayern Hof kam Rebhan auch zum TSV Vestenbergsgreuth, bei dem er erneut auf Schmidt traf. „Ich habe für diesen Traum alles gegeben und mein Leben nach dem Fußball ausgerichtet“, sagt Rebhan, um sich selbst lachend aufs Korn zu nehmen: „Ich war nicht so der begnadete Fußballer.“ Allerdings seien die Begeisterung und Mentalität seine Stärken gewesen.
Eine weitere Stärke: „Früher habe ich Eisenstangen umgegrätscht“, umschreibt Rebhan und hat einen Zeitungsbericht noch im Kopf, in dem es hieß: „Rebhan köpft einen Bierkasten aus dem Sechzehner raus.“ Er habe sich selbst, aber auch seine Gegenspieler, nie geschont, sagt der einstige Manndecker, der noch richtig „hobeln“ konnte.
Viele Vereine wussten Rebhans Vorzüge aber zu schätzen. Er hatte Angebote von Wacker Burghausen, Eintracht Trier und Dynamo Dresden. Der Vertrag bei Hertha Zehlendorf sei sogar schon unterschrieben gewesen. Da ihm die berufliche Sicherheit wichtiger gewesen sei, blieb Rebhan aber bei Bayern Hof, wo er beim Sponsor, einer Brauerei, im Außendienst arbeiten konnte, erklärt der ausgebildete Industriekaufmann.
Karriereende mit 26 Jahren
1999 kam aber mit 26 der Bruch: „Damals habe ich für mich entschieden, dass es nicht weitergeht“, erinnert sich Rebhan. Als Spielführer von Bayern Hof war er zu dieser Zeit an der Achillessehne verletzte. „Ich hatte einfach keine Lust mehr auf Fußball, war ausgepowert und leer.“ Rebhan kündigte seinen Job und orientierte sich neu.
Über eine Bekannte kam Rebhan zu Neckermann und wurde „von jetzt auf nachher“, wie er sagt, Anfang 2000 Reiseleiter auf Mallorca. „Ich bin schon immer gerne verreist, auch schon zu meiner Fußballerzeit. Ich liebe die Welt, fremde Kulturen.“ Über den gemeinsamen Arbeitgeber lernte Rebhan auch seine Ex-Frau kennen und kam so im November 2001 zum ersten Mal nach Heidenheim.
Auf dem Tisch mit Holger Sanwald getanzt
Der Beginn einer wunderbaren Zeit. Im Mohren tanzte er auf dem Tisch mit Holger Sanwald, der damals schon in der Verantwortung bei den HSB-Fußballern gewesen ist, erinnert sich Rebhan. Man habe sich darüber unterhalten, dass Rebhan zum HSB kommen solle. „Ich war keine 30 und eineinhalb Jahre raus aus den Aktiven. Ich hätte mir es zugetraut. Aber letztlich hat mir die weite Welt mehr bedeutet“, sagt Rebhan, der kurze Zeit später als Reiseleiter nach Thailand ging. „Wer weiß, wäre ich beim HSB gelandet, wäre womöglich der FCH nie dorthin gekommen, wo er jetzt ist“, nimmt Rebhan sich wieder selbst auf den Arm.
2004 ging es für ihn weiter nach Kreta – und immer wieder in den Landkreis Heidenheim. Und nach Frank Schmidts Rückkehr zum HSB, schaute Rebhan immer öfter auch beim Training vorbei. „Ich bin damals auch in der Oberliga zu Auswärtsspielen gefahren.“
Zweitligaaufstieg auf Mallorca mitgefeiert
Rebhans Bindung zum späteren FCH wurde mit den Jahren immer enger. Christian Beisel (Sommer 2009 bis Sommer 2011 beim FCH) ist einer seiner besten Kumpels und auch zu Mathias Wittek (Juli 2011 bis Januar 2019 beim FCH) hat er ein ganz besonderes Verhältnis. Kein Wunder also, dass Rebhan 2014 mit der Mannschaft auf Mallorca den Zweitligaaufstieg mitfeiern durfte.
Und hier staubte er ein originelles Erinnerungsstück ab: „Rebes, hier nimm die Hose“, habe Wittek zu ihm gesagt. Warum das erwähnenswert ist? Weil, Rebhan seitdem in den roten Shorts mit der Nummer fünf beim Sportmachen aufläuft – und somit auch im Training des FV Sontheim. „Beisel hatte die fünf, danach Wittek. Das ist doch toll“, sagt „Rebes“.
Wobei die Sontheimer natürlich „Rebbes“ sagen, wie er erklärt. Aber so ist die Sache mit den Spitznamen. Wenn Rebhan beispielsweise über Sontheims Trainer Sebastian Knäulein spricht, fällt nur der Name „Basti“. Dabei wird Knäulein in Sontheim nur „Seba“ gerufen. Rebhan lacht, wenn man ihn darauf anspricht. „Ja, ich sage halt Basti.“
Peter Tominac auf der anderen Seite wird von Rebhan einfach nur „Torwartlegende“ genannt. Über Tominac, Torwarttrainer beim FVS, kam der Kontakt letztlich zustande. „Wegen Corona bin ich ja eine Zeit lang nicht geflogen und hatte Zeit. Ich bin dankbar, dass ich die Möglichkeit bekommen habe, die Jungs mitzutrainieren. Und das auf dem Niveau. Das war großartig“, sagt Rebhan. „Der Verein ist etwas Besonderes. Da können sich viele eine Scheibe von abschneiden. Und das alles ohne Geld. Es gibt ja Spieler, die stoppen den Ball weiter, als ich ihn schieße. Und die wollen 200 Euro im Monat. Das ist ein Witz.“
Die Entwicklung im Amateurfußball findet Rebhan generell nicht gut: „Manche spielen in der Kreisliga B oder A und kriegen 200, 300 oder 400 Euro. Und manche Vereine machen das mit. Das ist unfassbar.“
So leidenschaftlich wie er spricht, so engagierte sich Rebhan auch beim FV Sontheim. „Ich habe das fünf gegen zwei richtig eingeführt. Als ich dabei das erste Mal einen abgegrätscht habe, hat Steven Färber gejubelt: Endlich einer, der Gas gibt“, erinnert sich Rebhan. Und freut sich über einen weiteren Spitznamen: Färber nennt Rebhan nämlich aufgrund seines Jobs „Urlauber“.
Zuletzt war er als Flugbegleiter wieder häufiger unterwegs. Doch dabei sollte der FVS nie zu kurz kommen. Vor dem Heimspiel gegen Frickenhausen schaute sich Rebhan den kommenden Gegner an einem Mittwochabend an, flog am Freitag nach Orlando (USA) und kam am Sonntag zurück. Von Frankfurt am Main ging es für Rebhan direkt zum Spiel, bei dem er letztlich mit knapp 20 Minuten Verspätung ankam. „Verdammter Stau“, sagt er rückblickend. Doch diese Hingabe zeichnet ihn aus. „Für mich war es die beste Zeit“, betont Rebhan.
Wobei die 1:4-Niederlage in Köngen ihm noch nachhängt. „Das war ein Tiefpunkt, ich war echt fassungslos und auch noch am Montag drauf noch sprachlos“, sagt Rebhan. Doch was tun? Rebhan schlug vor, auf das Training zu verzichten und gab stattdessen zwei Bierkisten aus.
Wir saßen in der Kabine und haben geredet. Das war echt gut“, sagt er, betont aber zugleich: „Man muss freitags nicht der Star an der Theke sein, sondern sollte am Sonntagnachmittag auf dem Platz für seine Mannschaft da sein.“
Martin Rebhan selbst wiederum wäre gerne für seine zwei Töchter da, zu denen er seit längerem keinen Kontakt mehr hat. „Ich vermisse sie. Für mich wäre es das schönste Weihnachtsgeschenk, wenn ich von meinen Kindern wieder etwas hören würde“, sagt er mit Tränen in den Augen.